Muss Ihre Webseite barrierefrei sein?

Was das Gesetz wirklich verlangt – und was sinnvoll ist

Barrierefreiheit klingt für viele nach einem Thema für Behörden oder große Konzerne. Doch spätestens seit neuen Gesetzen zur digitalen Zugänglichkeit fragen sich auch kleinere Unternehmen: Bin ich verpflichtet, meine Webseite barrierefrei zu gestalten?

In diesem Artikel gebe ich Ihnen einen verständlichen Überblick – ganz ohne Juristendeutsch. Sie erfahren, was gesetzlich vorgeschrieben ist, was empfohlen wird, und wie Sie mit einfachen Mitteln schon viel erreichen können.

Illustration eines Mannes im Rollstuhl mit Tablet und einer Frau mit Smartphone, umgeben von Symbolen für digitale Barrierefreiheit wie Lautlos-, Screenreader- und Zugangssymbole – Darstellung für Inklusion, digitale Teilhabe und barrierefreies Webdesign.

Was bedeutet barrierefrei überhaupt?

Barrierefreiheit im Web bedeutet:
Jede Person – unabhängig von körperlichen, sensorischen oder kognitiven Einschränkungen – kann Ihre Webseite nutzen.

Dazu zählen u. a.:

  • ausreichende Kontraste
  • klare, verständliche Sprache
  • bedienbare Navigation mit Tastatur
  • alternative Texte für Bilder
  • keine versteckten Inhalte oder verwirrende Layouts

Ziel ist, dass niemand aufgrund einer Einschränkung ausgeschlossen wird – sei es beim Lesen, Navigieren oder Verstehen.

Was ist gesetzlich Pflicht?

Ob Sie verpflichtet sind, Ihre Webseite barrierefrei zu gestalten, hängt davon ab, welche Art von Unternehmen Sie führen – und ob Sie als Kleinstunternehmen gelten oder nicht.

Für wen Barrierefreiheit schon jetzt Pflicht ist:

  • Öffentliche Stellen – z. B. Behörden, Gemeinden, Ministerien, Schulen
  • Unternehmen im öffentlichen Auftrag – z. B. Verkehrsbetriebe, Energieversorger, Postdienste
  • Große Unternehmen in bestimmten regulierten Branchen wie Gesundheit, Finanzen oder Transport

Diese Gruppen sind bereits heute verpflichtet, ihre Webseiten nach gängigen Standards barrierefrei umzusetzen (z. B. nach WCAG 2.1).

Für wen (noch) keine gesetzliche Pflicht besteht:

  • Kleinunternehmen und Ein-Personen-Unternehmen (EPU)
  • Selbstständige, Handwerksbetriebe und regionale Anbieter, die keine digitalen Dienstleistungen in großem Stil verkaufen

Wenn Sie z. B. ein lokales Unternehmen ohne Onlineshop betreiben – etwa ein Café, ein Friseurbetrieb, eine Tischlerei oder eine psychologische Praxis – sind Sie aktuell nicht verpflichtet, Ihre Webseite vollständig barrierefrei zu gestalten.

Was sich ab dem 28. Juni 2025 ändert

European Accessibility Act – EAA

Mit dem European Accessibility Act (EAA) wird die Barrierefreiheit in der EU neu geregelt. Ab diesem Datum sind auch private Unternehmen zur digitalen Barrierefreiheit verpflichtet – wenn sie digitale Dienstleistungen für die breite Öffentlichkeit anbieten.

Betroffen sind dann z. B.:

  • Online-Shops
  • Buchungsportale (z. B. für Reisen, Veranstaltungen, Arzttermine)
  • Banken und Versicherungen mit digitalen Kundenportalen
  • Streamingdienste und E-Reader-Anbieter
  • Ticketing- oder Verkaufsplattformen

Gilt das auch für kleine Unternehmen?

Der EAA sieht eine Ausnahme für Kleinstunternehmen vor. Diese gelten als Kleinstunternehmen gemäß EU-Definition, wenn sie:

  • weniger als 10 Mitarbeitende haben UND
  • einen Jahresumsatz oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 2 Millionen Euro nicht überschreiten

Beide Bedingungen müssen erfüllt sein. Sobald eine dieser Grenzen überschritten wird, gelten Sie nicht mehr als Kleinstunternehmen – und der EAA gilt für Sie.

Wenn Sie also z. B. als Einzelunternehmer oder kleiner Betrieb eine Webseite ohne Online-Shop oder Plattform betreiben, sind Sie auch ab 2025 nicht betroffen.

Betreiben Sie aber eine digitale Verkaufsplattform, ein Kundenportal oder eine Online-Buchung – und überschreiten Sie die oben genannten Grenzen – dann gelten die Anforderungen zur Barrierefreiheit für Sie ab 28. Juni 2025.

Warum Barrierefreiheit trotzdem Sinn ergibt

Auch wenn Sie aktuell nicht gesetzlich verpflichtet sind: Barrierefreiheit bringt viele Vorteile – ganz unabhängig vom Gesetz.

  • Sie zeigen Verantwortung und Offenheit
  • Ihre Seite wird benutzerfreundlicher – für alle
  • Google liebt klare Struktur, Kontraste und beschreibende Texte → SEO-Vorteile
  • Sie erschließen neue Zielgruppen (ältere Menschen, Menschen mit Seh- oder Hörbeeinträchtigung)

Barrierefreiheit ist kein Mehraufwand – sondern gutes Webdesign.

Vorsicht vor „1-Klick-Barrierefreiheit“

Neben Billig-Webseitenpaketen werben derzeit auch viele Anbieter mit sogenannten „Barrierefreiheits-Plugins“ oder „automatischen Accessibility-Lösungen“. Diese versprechen, dass man mit einem einfachen Einbaucode oder Plugin eine Webseite in wenigen Minuten barrierefrei machen kann – doch das ist so nicht möglich.

Solche Tools überlagern die Benutzeroberfläche mit Hilfsfunktionen wie vergrößerbarer Schrift, Kontrastumschalter oder Screenreader-Tools. Doch damit ist keine echte Barrierefreiheit hergestellt – denn:

  • Der eigentliche Quellcode bleibt unverändert und oft unzugänglich für Screenreader
  • Strukturelle Probleme (z. B. fehlende Überschriften-Hierarchien, fehlerhafte Navigation oder schlechte Tastaturbedienbarkeit) werden nicht behoben
  • Sie erfüllen in der Regel nicht die Anforderungen der WCAG 2.1 – dem offiziellen Standard für Barrierefreiheit
  • Viele dieser Dienste verstoßen gegen die DSGVO, da sie Daten an externe US-Anbieter senden

Gerade Unternehmen, die glauben, mit so einem Tool „rechtlich sicher“ zu sein, wiegen sich in falscher Sicherheit – und laufen Gefahr, trotzdem abgemahnt oder ausgegrenzt zu werden. Lassen Sie sich lieber beraten, bevor Sie zu solchen Lösungen greifen.

Fazit

Nicht jede Webseite muss gesetzlich barrierefrei sein – aber fast jede profitiert davon.
Ob Pflicht oder nicht: Mit ein paar gezielten Anpassungen machen Sie Ihre Webseite besser, zugänglicher – und sympathischer.

Wenn Sie unsicher sind, ob Ihre Webseite barrierefrei sein sollte oder muss:
Melden Sie sich gerne bei mir – ich berate Sie ehrlich und unverbindlich.

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